10.04.08

Dänischer Dialerbetr...eiber entschuldigt sich

Von Herbst 2002 bis etwa Mai 2003 sorgten ungewollte Dialereinwahlen zu zwei Nummern für zahlreiche Beschwerden in Deutschland. Obwohl schon frühzeitig der Verdacht bestand, dass es sich um illegale Dialer handelte, war es für Betroffene damals nicht immer leicht, sich gegen die Inkassierung der durch den Betrug verursachten Telefongebühren zu wehren.

Es dauerte bis zum gestrigen Tag, ehe der Verantwortliche sich vor dem Landgericht München verantworten musste. Es ist dem Münchner Staatsanwalt großes Lob zu zollen für sein Engagement, den Fall, den bereits zwei Staatsanwälte vor ihm bearbeitet hatten, doch noch zur Anklage gebracht zu haben. Damit hat es sich aber schon wieder mit dem Lob, wenn man von den Leuten absieht, die mit großem Engagement den Fall erst ins Rollen gebracht und durch ihre große Fachkunde viel dazu beigetragen haben, dass überhaupt verhandelt wurde. Hier ist insbesondere das Forum "Computerbetrug.de" zu erwähnen.

Zum Prozess selbst kann man bisher keinerlei Hinweise im Internet finden. Dankenswerterweise hat mir allerdings ein Prozessbeobachter ausführliche Informationen zur Verfügung gestellt, die ich mit einigen Anmerkungen versehen habe. Das Ergebnis ist folgende "inoffizielle Meldung". Ein so seltenes Ereignis wie ein Dialerprozess sollte schliesslich nicht völlig unerwähnt bleiben.

Here we go.

Dänischer Dialerbetreiber entschuldigt sich nach Verurteilung bei den Betroffenen

München (privat). (7.4.08 ) Vor dem Münchner Landgericht wurde heute der Däne Christian M* wegen gewerbsmäßigen Computerbetrugs in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Datenmanipulation zu einer Gesamtstrafe von 18 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu 100 Euro verurteilt. Da der vom Hamburger Rechtsanwalt L* vertretene Däne auf Rechtsmittel verzichtete, ist das Urteil rechtskräftig. Der Däne soll München und Deutschland noch gestern den Rücken gekehrt haben.

Beim Verlassen des Gerichtes erklärte der 42jährige, er "übernehme als Geschäftsführer die Verantwortung für das Geschehene". Er respektiere die Entscheidung des Gerichts und wolle sich "bei allen Geschädigten entschuldigen für das, was ich ihnen angetan habe".

Der frühere Geschäftsführer bzw. Beteiligte von Firmen wie Gaza Media ApS, MBM Media ApS, Secure Tele Transfer ApS (aka Dialacom, siehe hier) sowie der Knoedel Holding (Copiosus ApS) (ref, s.a. google) musste sich wegen des Missbrauchs von Dialern unter den Rufnummern 0190092102 (über "Q1 Deutschland" und MCN-Tele) und 0190050120 (über Talkline) verantworten. Zwischen November 2002 und Mai 2003 verursachten seine betrügerischen Dialer bei einer unbekannten Zahl von Betroffenen Schäden von bis zu 650 Euro. Obwohl der von Staatsanwalt Tetenberg vorgetragene Gesamtschaden mit knapp 12.000 Euro gering erscheint, ist davon auszugehen, dass ein Schaden in Millionenhöhe entstanden ist, wie die über die Nummern generierten Umsätze nahe legen. Wie ein posting im Forum "antispam.de" belegt, wurde für diese Dialer auch mit Spam-Mails geworben.

Im Auftrag der Dänen wurden damals in Einzelfällen die Gelder erstattet, ein großer Batzen des Geldes dürfte jedoch am Rande der Geldflusswege versickert sein. Genauere Angaben hierzu lieferte das Verfahren leider nicht.

M* hatte bereits eine Hauptversammlung platzen lassen, weil er "mental nicht auf die U-Haft vorbereitet war". In einem zivilrechtlichen Verfahren wurde er vom bekannten Düsseldorfer "Szeneanwalt" Dr. Daniel K* vertreten, wie im Laufe des Prozesses zu erfahren war. Während der Angeklagte erzählte, er habe in Spanien ein neues Leben beginnen wollen, hielt ihm die Richterin in aller Deutlichkeit vor, er sei nach Spanien geflohen, ehe er dann in Marbella festgenommen und den deutschen Behörden überstellt wurde.

Heute hatte er seinen Hamburger Anwalt L* und einen Dolmetscher, Herrn H*, mitgebracht. Da der Richterin jedoch ein Brief des Angeklagten vorlag, der "in gutem Schriftdeutsch" an seine in Deutschland ("10 km von der dänischen Grenze") geborene Mutter gerichtet war, bestand sie darauf, auf Deutsch zu verhandeln. Zu seiner Vorgeschichte und seinen Lebensumständen befragt, kämpfte der Angeklagte neben der deutschen Sprache auch mit diversen Erinnerungslücken.

Es kristallisierte sich heraus, dass M* zusammen mit dem heute in Marbella lebenden Lars B. M* (s.a. hier) und Henrik S. B* mehrere Firmen in Dänemark betrieben hatte. Diese seien allesamt liquidiert, erklärte der Angeklagte. Inwieweit dies mit den Ergebnissen der vom dänischen Verbraucherministerium angestrebten Klagen gegen diverse, teils wohl bekannte Telefonsexfirmen zusammen hing, wurde nicht weiter erörtert. Man darf einen Zusammenhang aber annehmen.

Zurück zum Bericht des Angeklagten: Ein von einer dänischen Firma entwickeltes Abrechnungssystem wurde seinen Angaben zufolge später in Eigenregie eingesetzt, in Deutschland etwa ab 2000.

Bei den Details über das "System" konnte das Gericht nur mit Mühen den Ausführungen des Angeklagten folgen, die Richterin drängte den Dänen dennoch durch viele Nachfragen dazu, das Vorgehen genau zu erklären: Was sind Dialer? Wie funktioniert das System? Was bekamen Kunden zu sehen, bevor die kostspielige Verbindung hergestellt wurde? Eine Schöffin seufzte über "all dieses technische Zeugs". Nicht weniger unwissend wurden wohl viele Betroffene erwischt...

Der Angeklagte referierte gerade zu höchst spannenden Details seiner vertraglichen Beziehungen zur Deutschen Telekom (die ihm wegen "versehentlicher" Bereitstellung von Sodomie gekündigt hatte) und zu Talkline, MCN und Q1 ("sie behaupteten, es hätte illegale Dialer gegeben, also solche, die sich selbst einwählen oder den Preis nicht nennen"), als sein Verteidiger eine Unterbrechung beantragte. Man einigte sich dann auf eine Mittagspause. Danach zog man sich zu Beratungen zurück. Als Staatsanwalt und Verteidiger gemeinsam zurück kamen und man Wortfetzen hörte, die wie "auch gut für die Staatskasse" und "dann bringen wir das hier zuende" klangen, war klar, dass es statt weiterer spannender Details den von Beobachtern schon vorher als wahrscheinlich angesehenen "dänischen Deal" geben würde. Um ein langwieriges und teures Verfahren zu vermeiden "gestand" zunächst der Verteidiger die Vergehen des Angeklagten. M. selbst musste erst mehrere Anläufe nehmen, ehe ihm das Geständnis über die Lippen kam. Er bekannte sich schuldig im Sinne der Anklage in allen Punkten.

Zur Belohnung ging es dann ganz schnell. Der Staatsanwalt plädierte und wog erschwerende und entlastende Faktoren so lange ab, bis es zum ausgedealten Ergebnis passte: Im Fall "Knoedel" 10 Monate plus 90 Tagessätze, im Fall "STT" 14 Monate und 160 Tagessätze - macht summa iurarum 18 Monate plus 200 Tagessätze. Der Verteidiger plädierte nur noch seine Zustimmung und lobte sich anschließend für sein "doch wirklich kurzes Plädoyer". Das letzte Wort hatte der Angeklagte "Das ist so ok". Das war's. Man verzichtete auf Rechtsmittel, das Urteil ist rechtskräftig.

Auch in München galt also der vergleichsweise billige "Dänische Tarif", den man ja schon aus Hamburg kennt - kein Vergleich zur Schärfe der Osnabrücker Staatsanwaltschaft (wenn ein Vergleich denn überhaupt gezogen werden kann). Dort wagte man sich in die Details und ließ sich nicht auf Absprachen ein. Mag sein, dass der Fall anders lag. Andere Erklärungen bleiben denkbar.

Für M* war jedenfalls der Fall fast schon erledigt - es ging ihm nun um die Klärung dringender Sachfragen: Wie komme ich am schnellsten zum Flughafen? Kann ich Deutschland heute noch verlassen? Auch das kennt man aus Hamburg. Nach der Klärung der Formalitäten (Aufhebung des Haftbefehls, Passaushändigung) dürfte M. im Laufe des heutigen Tages Deutschland den Rücken kehren. Über die beschlagnahmten server gab es einen "formlosen Verzicht".

Seine Entschuldigung sollten wir dennoch annehmen - die Wochen in Auslieferungshaft und die 5 Monate in Stadelheim waren sicher nicht bequem - auch wenn die Ausführungen des Verteidigers ("das schlimmste Untersuchungsgefängnis, das ich je gesehen habe") etwas übertrieben klangen.

Fazit: Ein weiterer Millionenbetrug wurde juristisch gewürdigt, ohne dass man eindeutig sagen könnte, dass sich Unrecht nicht lohnen würde in Deutschland. Viele ungeklärte Details werden bedauerlicherweise für immer im Dunkeln bleiben. Dazu gehört insbesondere das Verhalten der dänischen Firmen nach diesen Dialerfällen. Immerhin gilt als gesichert, dass die STT und Dialacom später - vereint mit dem Trafficsystem "Buxomatic" aus dem Umfeld des Dänen Jens H* - weiterhin Fallen im Internet aufstellten und dabei bewusst ein System einsetzten, dass den durch schärfere 0900-Gesetze verbesserten Verbaucherschutz umgehen sollte. Dafür wurde sogar öffentlich Werbung gemacht. Deutsche Gesetze? Das ist Dänen egal.

Was ist eigentlich aus den Ermittlungen gegen die HFM geworden? Der Beschuldigte hätte wohl kaum "freie Fahrt ins Ausland" gekriegt, wenn wegen des STT/HFM-Komplexes noch Ermittlungen laufen würden. Hätte dieser Sachverhalt nicht erschwerden hinzukommen müssen? Oder was ist aus der Sache mit STT und dem "Kfz-Kennzeichen-Abmahner" Michael H* geworden?

Schließlich hätte man noch fragen können, was die STT/Dialacom genau meinte mit ihrer im Internet noch abrufbaren Erklärung, wonach man vom deutschen Telco des Betruges bezichtigt wurde und daher der deutsche Telco nur Teile des Umsatzes ausbezahlt habe. Wenn der deutsche Telco im Wissen um betrügerisches Vorgehen Gelder nach Dänemark überwiesen hat, müsste man doch wegen des Verdachts der Geldwäsche ermitteln. Aber was soll's - so war das Urteil eben "recht und billig". Interessiert hat der Fall eh keinen mehr.

Das Zitieren und Kopieren des Beitrags ist vom Autor erlaubt (c) Zorro.